Neu erschienen: Die große Geschichte der zeitgenössischen Photographie (Schirmer/Mosel)

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Von 1960 bis in die Gegenwart, dieses halbe Jahrhundert deckt Die große Geschichte der zeitgenössischen Photographie ab – und das einzig und allein aus den Beständen des Museum of Modern Art. Wie die Sueddeutsche Zeitung in ihrer Rezension festgestellt hat: „Wenn das Museum of Modern Art (MoMA) die eigene fotografische Sammlung in einem dreibändigen Katalog [dies der erste Teil] veröffentlicht, dann ist genug da, um enzyklopädisch zu arbeiten: Es ist schließlich eine der ältesten und bedeutendsten Sammlungen des Mediums, an der seit den Dreißigerjahren in New York gearbeitet wird.“ (Catrin Lorch)
Die Herausgeber haben sich dabei nicht für eine chronologische Darstellung entschieden, vielmehr zeigen sie die ganze Bandbreite der zeitgenössischen Photographie in acht thematischen Essays, von denen ich zwei übersetzt habe: „Performances für die Kamera“ (Lucy Gallun) und „Photographie und Massenmedien“ (Robert Slifkin). Doch der Band ist natürlich nicht nur ein Lesebuch, sondern auch ein großartiges Bilderbuch mit vielen herausragenden Beispielen. Für Freddy Langer von der FAZ war das Buch eine klare Weihnachtsempfehlung in der Rubrik „Was den Verstand schärft“: „Beneidenswert! Nur mit Arbeiten aus der eigenen Sammlung blättert das Moma die Fotografiegeschichte auf, zwei Bände sollen folgen.“

Übrigens: Ein Text über den Gründungsdirektor des MoMA, Alfred H. Barr, und sein Matisse-Buch findet sich in dem ebenfall von mir übersetzten Buch 16 Klassiker der Kunstgeschichte.
Mehr zur Publikation beim Verlag: http://www.schirmer-mosel.com/deutsch/pdf/PM_MoMA_Photographie.pdf

Neu erschienen: 16 Klassiker der Kunstgeschichte

IMG_20151210_130619[1]Vor Kurzem ist das Buch erschienen, durch das ich im letzten Winter zum Stammgast von Staats- und Kunstbibliothek wurde: 16 Klassiker der Kunstgeschichte (auf dem Foto zu sehen neben der englischen Originalausgabe, aufgenommen in der Berliner Gemäldegalerie). Ein Jahrhundert Kunstgeschichte, komprimiert in 16 Porträts wegweisender kunsthistorischer Bücher und ihrer Autoren, von Émile Mâle bis Hans Belting. Als ich den Auftrag erhielt, war natürlich die erste Frage, die ich mir gestellt habe: Wie soll ich den vertrackten englischen Titel The Books That Shaped Art History übersetzen? Aber wie es mit solchen Fragen ist, auf die man auf Anhieb keine Antwort weiß: Man stellt sie erst einmal zurück. Später folgte eine kurze, konstruktive Diskussion mit den englischen Herausgebern (die Deutsch sprechen) und dann die Entscheidung für einen ganz anderen Titel: 16 Klassiker der Kunstgeschichte. Neben bekannten Werken wie Heinrich Wölfflins Kunstgeschichtliche Grundbegriffe oder Ernst Gombrichs Kunst und Illusion stellt das Buch auch den ein oder anderen Klassiker vor, der in Deutschland wohl eher weniger bekannt sein dürfte wie etwa Roger Frys kompakte Cézanne-Studie von 1927 oder Alfred H. Barrs Matisse-Monografie von 1951. Eine der großen Freuden der Arbeit an diesem Buch war es nicht nur, diese mir zuvor unbekannten Werke kennenzulernen, sondern auch sehr viel Neues über bekannte Bücher zu erfahren.

Besonders erfreulich ist es natürlich, wenn am Ende dann auch noch ein außerordentlich schönes Buch dabei herauskommt. Einen großen Dank hierfür an den Verleger Piet Mayer und die Gestalter Silke Fahnert und Uwe Koch. Mehr zu dem Buch findet sich auf der Homepage des Verlages: http://www.pietmeyer.ch/kapitalebib.php#1

„Two by Two“ – Mary Heilmann und David Reed im Hamburger Bahnhof

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„Two by Two“, paarweise, so werden die Bilder von Mary Heilmann und David Reed im Hamburger Bahnhof präsentiert. 19 Bildpaare, die jeweils derart eng aneinandergerückt präsentiert werden, dass Heilmanns Formulierung von den einander küssenden Bilder sofort einsichtig wird. Doch muss ich gestehen, dass mich vornehmlich Heilmann angezogen hat. Ich wollte die Erinnerung an ihre kleine Ausstellung bei Barbara Weiss 2010 auffrischen und mehr von ihr zu sehen. Ein alter Bekannter aus der Ausstellung bei Weiss ist das Bild „Red Kachina“ (1980).
 
Red Kachina

Eine einfache rote Stufenform am rechten Bildrand kontrastiert mit dem Schwarz der restlichen Bildfläche. Dabei ist die rote Form nicht streng geometrisch, sondern offensichtlich freihändig ausgeführt, was dem Bild seine Leichtigkeit und seinen individuellen Charme gibt.
Es ist kein Wunder, dass angesichts von Heilmanns Bildern immer wieder das Musikalische und ihr Bezug zur Musik hervorgehoben werden. Sie erscheinen voller Rhythmus und Melodie. Daher ist ein Bild wie „Little Mondrian“ dann auch nicht, wie gelegentlich behauptet, ein ironischer Kommentar zu Mondrian, sondern vielmehr eine sehr lebendige musikalische Variation seiner Bildthemen – und unterläuft genau damit Mondrians Absolutheitsanspruch. Ein weiterer Verweis auf die Welt der Musik sind Heilmanns Bildtitel, in der Berliner Ausstellung beispielsweise die Bilder „Let it Be“ und „Bush of Ghosts“, letzteres wohl ein Hinweis auf das Album „My Life in the Bush of Ghosts“ von Brian Eno und David Byrne (die ihrerseits einen Romantitel des nigerianischen Autors Amos Tutuola zitierten).
Ein anderes Beispiel, und leider nicht in Berlin zu sehen, ist das Bild „Save the Last Dance for Me“, zu dem bei Afterall Books eine wunderbare Monografie von Terry R. Myers erschienen ist. Nach einer ersten phänomenologischen Annäherung an das Bild, erkundet Myers die biografischen wie die kunst- und kulturgeschichtlichen Schichten des Bildes, um sich derart informiert erneut seiner Form zuzuwenden.
„Save the Last Dance for Me“ entstand 1979, zu einer Zeit, in der Heilmanns Kunst eine entscheidende Wende nahm. Wie sie selber schrieb: „Now the work came from a different place. Instead of working out of the dogma of modernist nonimage formalism, I began to see that the choices in the work depended more on content for their meaning. It was the end of modernism and, though I hadn’t heard the news, the beginning of postmodernism. It was a big minute for me. Everything would be different.“ (In: „The All Night Movie“ [1999], wiederabgedruckt in: Mary Heilmann. Good Vibrations, Köln 2012, S. 179-199, hier S. 195.)
Eingeläutet wurde dieser Neuanfang durch eine ganze Serie von Bildern in Schwarz und Pink, zu der auch „Save the Last Dance for Me“ gehört. Myers weist zurecht darauf hin, dass dies die Farben des New Wave waren. Doch wenn man sich den Katalog „Good Vibrations“ zu Heilmanns Ausstellung in Maastricht und Nürnberg 2012/2013 genauer anschaut, sieht man auf einem Foto von Heilmanns Bridgehamptoner Atelier ein Plattencover von 1960, also weit vor dem New Wave: das Cover von „Save the Last Dance for Me“ der Platters – in Pink und Schwarz.

Mary Heilmanns Atelier in Bridgehampton, Foto: Philip Mauro

Mary Heilmanns Atelier in Bridgehampton, Foto: Philip Mauro

Myers konnte den Katalog natürlich noch nicht kennen, ist sein Buch doch schon 2007 erschienen. Aber offensichtlich hat ihn Heilmann auch nicht auf das Cover hingewiesen. Dabei macht sie eigentlich keineswegs ein Geheimnis aus ihren Quellen und Inspirationen, so etwa in dem auch jetzt zu sehenden Film „Her Life“, in dem sie ihren Bildern Fotos von Landschaften, Orten usw. gegenüberstellt. Ob also das Plattencover der Platters womöglich sogar die Inspiration für ihre Serie in Schwarz und Pink war, muss offen bleiben. Zumindest jedoch stand das Bild „Save the Last Dance for Me“ nicht am Anfang der Serie. So ist in der Berliner Ausstellung das Bild „Orbit“ von 1978 zu sehen, in dem Silber als dritte Farbe hinzukommt. Es ist ein eher dreckiges Silber, das in dem Bild mit einem vehementen Pink konfrontiert wird, und aus dem silbernen Dreieck regnet es Farbspritzer herab. Wer umkreist hier wen, das Silber das Pink oder umgekehrt? Doch ist wohl auch keineswegs ausgeschlossen, dass der Titel und die Komposition womöglich einen ganz konkreten Ursprung haben, wie es etwa bei ihrem Bild „The End“ (1978; nicht in der Ausstellung) der Fall ist, einem roten Quadrat auf gelbem Grund, dessen Komposition auf einem Foto von Heilmanns kurz zuvor verstorbenem Freund Gordon Matta-Clark beruht.
Doch muss sich der teils anekdotische Gehalt einzelner Bilder gar nicht unbedingt erschließen, um ihre zutiefst persönliche Grundierung zu spüren. Und manchmal scheint das Anekdotische das Bild ein wenig seiner Wirkung zu berauben. So kann man bei ihrem Bild „The Glass Bottomed Boat“ ruhig schnell wieder vergessen, dass Heilmann als Kind mit ihrer Familie auf einem solchen Boot mit Glasboden gefahren ist, um sich ganz dem Bild zu überlassen. Genau dazu bietet die Ausstellung im Hamburger Bahnhof nun Gelegenheit.

Eigene Übersetzungen: Neu eingetroffen

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Gerade eingetroffen ist aus dem Piet Meyer Verlag die erste umfassende Monografie zu Leigh Bowery, für die ich Beiträge von Martin Gayford, Anne Marsh und Sue Tilley übersetzt habe.
Leigh Bowery – vielen wird der Name nicht unbedingt geläufig sein, und doch war er in den 1980ern eine ungemein einflussreiche künstlerische Persönlichkeit der Subkultur und darüber hinaus. Und aus eben diesem „darüber hinaus“ kannte ich ihn bereits, als die Übersetzungsanfrage kam: Leigh Bowery war in den letzten Jahren seines kurzen Lebens (1961-1994) eines der wichtigsten Modelle von Lucian Freud, zu dessen „Porträts“ ich vor ein paar Jahren den Katalog übersetzt habe. Doch nicht nur Bowery hatte ich durch den Freud-Auftrag bereits kennengelernt, sondern auch den Piet Meyer Verlag, in dem das wunderbare Buch „Mann mit blauem Schal“ erschienen ist, in dem Martin Gayford von der Entstehung seines Porträts durch Lucian Freud berichtet. (Für die Bowery-Monografie hat Gayford den Text „‚Ein riesiger unbekümmerter Narrenprinz‘: Lucian Freuds Bilder von Leigh Bowery“ geschrieben.)
Was als Erstes auffällt bei dem jetzt erschienenen „Leigh Bowery: Verwandlungskünstler“, ist seine visuelle Pracht. Unter dem oben abgebildeten Schutzumschlag verbirgt sich ein Einband in einem changierenden Magentaton, den ich mit der Kamera unmöglich einfangen konnte. Das Papier ist matt und ganz hervorragend für die zahlreichen Abbildungen in den fünf Bilderstrecken (Clubbing, Mode, Still Life, Performance, Prothesen) und den Textbeiträgen geeignet. Die Fotos wirken in ihrer Farbigkeit, als wären sie gerade erst aufgenommen worden, und beweisen darin ihre Überlegenheit über die verwaschenen

Fergus Greer, Session V, Look 27, Februar 1992 (li.) und Session II, Look 7, Juli 1989 (re.)

Fergus Greer, Session V, Look 27, Februar 1992 (li.) und Session II, Look 7, Juli 1989

Filmdokumente, die man auf YouTube anschauen kann. Andererseits geben die Filme einen lebendigen Eindruck von Bowery als Performer, ein Aspekt, auf den auch in dem Buch in Wort und Bild gebührend eingegangen wird. Denn allzu leicht könnte man angesichts der Fotos Bowery vorrangig als ein Phänomen der Oberflächen betrachten, während er die Grenze, die die Oberfläche darstellt, stets transgressiv überwand. Und so nimmt es nicht wunder, dass er in queeren Kreisen heute jene Bekanntheit genießt, die ihm auch außerhalb davon gebührt. Ein Ansatzpunkt für eine breitere Bekanntheit ist fraglos die Mode, ließ sich doch vermutlich manch Designer von Bowery inspirieren (Alexander McQueen, Viktor & Rolf, Comme des Garçons etc.). Doch weist Gertrud Lehnert in ihrem Beitrag zu Recht darauf hin, dass Bowery eben gerade keine Mode machte.

von oben links im Uhrzeigersinn: Maison Martin Margiela, Viktor & Rolf, Fergus Greer, Session VII, Look 38 und Session III, Look 15

von oben links im Uhrzeigersinn: Maison Martin Margiela, Viktor & Rolf, Fergus Greer, Session VII, Look 38 und Session III, Look 15

Er nutzte vielmehr die Kleidung, um sein Diktum umzusetzen: „Mein Körper kann unbegrenzt viele Gestalten und Formen annehmen!“ Mode als zu vermarktende Erscheinung interessierte ihn nicht. Sie war bei ihm, der auch selbst eine regelmäßige Clubnacht veranstaltete, untrennbar mit dem Auftritt als Performance verbunden. Ob nun in den Foto-Sessions mit Fergus Greer, im Nachtclub oder auch auf der Straße. Er war zweifellos ein Freak, und es lohnt sich, ihn näher kennenzulernen.
P.S.: Um sich Bowery erstmals zu nähern, empfehle ich den äußerst persönlichen Brief von Sue Tilley (auch sie ein Freud-Modell) an den toten Freund, mit dem der Band endet.

Andy Warhol

Vorbereitungen für den nächsten Auftrag: Die Andy-Warhol-Bücher liegen parat.

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Die Begeisterung für „Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück“ (Übers.: Regine Reimers) stellt sich sofort wieder ein, da ich jetzt in dem Buch herumlese. Zum wievielten Male eigentlich? Das Buch sieht jedenfalls schon reichlich mitgenommen aus. Wenn auch noch nicht so, dass es nicht noch in dem 1-Euro-Antiquariat nebenan an dem Statikwunder der dortigen Bücherstapel mitwirken könnte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Warhol berichtet von seinem Problem, nie ein eigenes Problem gehabt zu haben (nach diesem Bekenntnis ruft ihn der Psychiater nicht mehr zurück), gibt Ratschläge zum Sex (wenn man mehr Energie investiert, als man gewinnt, sollte man darauf verzichten) und endet schließlich mit dem Bericht „Was ich am Samstag mache, wenn ich mit meiner Philosophie am Ende bin“: Er geht Einkaufen. Unterhosen und Socken, denn: „[W]enn man jemanden beim Unterhosenkauf beobachten könnte, wüsste man bereits ein gut Teil von dem Betreffenden. Ich meine damit, ich würde lieber zusehen, wie einer seine Unterhosen kauft, als dass ich ein Buch lesen wollte, das er geschrieben hat.“ Am besten aber ist es, lesend von Warhol zum Unterhosenkauf mitgenommen zu werden.

Andy Warhol Doppelt, Foto Ron Galella

Andy Warhol Doppelt, Foto Ron Galella